Ich soll als Politikwissenschaftler etwas schreiben über Vergleichsportale im Internet? Das passt doch nicht zusammen. Oder etwa doch? Natürlich! Das passt sogar ganz hervorragend. Gerade bei Wahlen geht es doch um nichts anderes als um Vergleiche. Wer ist der bessere Kandidat oder die bessere Kandidatin? Oder welche Partei hat das bessere Programm? Demokratie ist letztlich nichts anderes als eine vergleichende Methode. Der amerikanische Politikwissenschaftler Robert Dahl hat Demokratie an nur zwei Kriterien festgemacht: Gibt es einen fairen Wettbewerb zwischen Kandidaten und Parteien? Und dürfen sich die Bürgerinnen und Bürger zwischen diesen Kandidierenden am Ende frei entscheiden? Das klingt doch sehr nach einem Markt. Und wenn Vergleichsportale uns helfen sollen, uns etwa auf dem Strommarkt zu orientieren, warum dann auch nicht auf einem politischen Marktplatz der Ideen und Programme?
Wirft man einen Blick zurück auf die jüngsten Wahlen und Wahlkämpfe und insbesondere all das, was dabei im Internet passiert ist, so wird man feststellen, dass ein Vergleichsportal zu den erfolgreichsten Politikseiten im Internet gehört hat. Schon seit einiger Zeit nämlich hat sich der „Wahlomat“(www.wahlomat.de) als fester Bestandteil von bundesdeutschen Wahlkämpfen etabliert, sowohl auf der Länder- als auch der Bundesebene. Auch international sind solche „Voting Advice Applications“ weit verbreitet, also Systeme, die eine Hilfestellung bei der Wahlentscheidung leisten möchten. Premiere feierte der Wahlomat in Deutschland vor der Bundestagswahl 2002, federführend betreut ihn die Bundeszentrale für politische Bildung in Bonn. Der Erfolg des Projekts ist beeindruckend, die Zugriffszahlen sprechen für sich: Schon bei der Bundestagswahl 2002 konnten 3,6 Millionen Zugriffe verzeichnet werden, im Vorfeld der Bundestagswahl 2013 waren es 13,3 Millionen.
Wie funktioniert das Ganze? Wer die Seite besucht, wird dort eingeladen, sich zu 38 politischen Thesen zu positionieren: Dafür, dagegen oder neutral? Zur Bundestagswahl 2013 etwa gehörten dazu Aussagen wie „Es soll ein gesetzlicher flächendeckender Mindestlohn eingeführt werden“, „Das Ehegattensplitting soll beibehalten werden“ oder „Die Nutzung von Autobahnen soll kostenpflichtig sein“. Zusätzlich können die Nutzerinnen und Nutzer angeben, welche Themen ihnen besonders wichtig sind. Sind alle 38 Aussagen bewertet, wird es spannend: Es folgt die Auswertung und der Wahlomat sagt der Nutzerin oder dem Nutzer, mit welcher Partei er oder sie die größte inhaltliche Übereinstimmung hat. Das lässt sich bestimmen, weil auch die Positionen der Parteien zu den 38 Aussagen im Wahlomat hinterlegt sind. Und aus dem Vergleich der Nutzerinnen und Nutzer mit den Parteiangaben lässt sich erkennen, welche Parteien besser zu einem passen als andere. Wer das Ganze einmal ausprobieren möchte – nahezu alle „Wahlomaten“ der jüngeren Vergangenheit sind über das Archiv noch erreichbar. Sicherlich wird es zur Landtagswahl 2016 eine Neuauflage für Rheinland-Pfalz geben, um den politischen Markt auch dann zu ordnen.
Apropos Markt: Kern der Marktidee ist ja auch, dass Anbieter und Nachfrager in Kontakt und Austausch miteinander stehen. Politikern und Parteien wird ja häufig nachgesagt, dass sie kein Interesse an Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürgern hätten (außer kurz vor Wahlen). Ob das stimmt oder nicht, sei hier einmal dahingestellt. Aber auch hier gibt es Seiten im Internet, die versuchen, Wähler und Gewählte enger miteinander in Kontakt zu bringen. „Marktführer“ ist die Seite abgeordnetenwatch.de, die es seit 2004 gibt. Kernidee der Seite ist es, dass Bürgerinnen und Bürgern Fragen stellen und so mit ihren Politikerinnen und Politikern in einen Dialog treten können. Nach eigenen Angaben hat die Seite monatlich fast 400.000 Besucherinnen und Besucher, 90% der Abgeordneten lassen sich auf einen Dialog dort ein. Auch hier lohnt durchaus ein Blick auf die Seite!
Klar ist jedenfalls: Vergleichsportale im Internet – auch für den politischen Markt gibt es sie, sei es als Informationsquelle und Hilfestellung wie im Falle des Wahlomat, sei es zur Schaffung von Dialogmöglichkeiten wie bei abgeordnetenwatch.de – und natürlich gibt es noch viele, viele andere Seiten dazu, wie immer in diesem Internet.