Die Digitalisierung führt zu tiefgreifenden Veränderungen in der Welt. Was zunächst wie eine weit entfernte und sehr abstrakte Floskel klingt, ist im Leben eines jeden einzelnen sehr wohl spürbar. Auch die Lebenswelten älterer Menschen bleiben von der Digitalisierung nicht unberührt. In Zahlen drückt sich das wie folgt aus: 69 Prozent aller 60- bis 69-Jährigen und 36 Prozent aller über 70-Jährigen sind nach Angaben des D21-Digital-Index aus dem Jahr 2016 bereits online. Studien wie die ARD/ZDF-Onlinestudie aus dem Jahr 2017 zeigen zudem, dass die Nutzungsdauer auch in den höheren Lebensaltern immer weiter zunimmt. So sind 60- bis 69-Jährige schon heute circa eineinhalb Stunden täglich online.
Eine besonders große Bedeutung nimmt in der Onlinebeschäftigung die Individualkommunikation zum Beispiel mittels Instant Messengern ein. Dies ist kaum verwunderlich, denn Familien wohnen heute oft weit verstreut und sehen sich häufig nur zu bestimmten Anlässen wie Familienfeiern oder Feiertagen von Angesicht zu Angesicht. Die Kinder leben in Berlin und die Enkel sind zum Studieren in München: Sogenannte multilokalen Familienverbände bedingen auch einen Wandel in der innerfamiliären Kommunikation.
Online-Kommunikation
Mithilfe von digitalen Kommunikationsmöglichkeiten, etwa einem Smartphone mit WhatsApp, Threema oder Telegram, rückt die Familie, zumindest virtuell, wieder ein Stück zusammen. Bilder, Nachrichten und Videos vermitteln einen Eindruck von dem, was im Alltag passiert, schaffen so Teilhabe und ein Stück Lebensqualität. Das Internet ermöglicht es nicht nur, sich mal schnell mit der Enkelin oder dem Enkel hin und her zu schreiben – per Videochat kann man das Gegenüber sogar von Angesicht zu Angesicht auf dem Computer, Tablet oder Smartphone sehen.
Aber auch in vielen anderen Lebensbereichen ist die Nutzung des Internets und digitaler Kommunikationsmöglichkeiten inzwischen zur Selbstverständlichkeit geworden. Wer heute zum Beispiel schnell und von zu Hause aus Bankgeschäfte erledigen will, ist auf Onlinebanking angewiesen. Nicht zuletzt verlassen auch immer mehr Banken mit ihren Filialen den ländlichen Raum. Kunden, deren Ort über keine Bankfiliale mehr verfügt und die zudem noch immobil oder auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sind, haben oft große Mühen weiterhin Bankgeschäfte zu tätigen. Onlinebanking wird dann zur Notwendigkeit.
Onlineshopping
Ähnlich verhält es sich mit vielen Läden und Möglichkeiten des Einkaufens im ländlichen Raum. Online einzukaufen und die erworbene Ware bis vor die Haustür geliefert zu bekommen, kann dann für die Selbstversorgung sehr wichtig werden. Dabei beschränkt sich Onlineshopping schon lange nicht mehr auf beliebte Produkte wie Bücher, Kleidung oder Technik – inzwischen können sogar Lebensmittel vor die Haustür bestellt werden. Schwere Getränkekisten schleppen, anstrengendes Laufen durch riesige Supermarktgänge und unpassende Öffnungszeiten könnten dann der Vergangenheit angehören. Deutschlandweit zeigt sich: Lieferdienste gewinnen immer mehr an Zuspruch und werden vermehrt auch in ländlichen Regionen angeboten. Nicht ohne Grund hat sich seit dem Jahr 2014 nach Daten des Handelsverbands Deutschland die Zahl der bestellten Lebensmittel aus dem Internet verdoppelt. Trotzdem werden aktuell nur ein Prozent aller Lebensmittel online geordert.
Mobilität
Gerade für Kommunen mit einer weit verteilten Flächenstruktur werden, vor dem Hintergrund des demografischen Wandels, Fragen der intelligenten Vernetzung, Versorgung und Mobilität im Mittelpunkt stehen. So könnten zukünftig Busse per App auf dem Smartphone zu der passenden Uhrzeit bestellt werden. Viele Projekte in ganz Europa, aber auch in Teilen Deutschlands, arbeiten an selbstfahrenden autonomen Bussen, die im öffentlichen Nahverkehr eingesetzt werden können, auch um die Lebensqualität von Menschen „auf dem Dorf“ zukünftig weiter zu verbessern. Die Potenziale dieser Projekte sind groß, allerdings bleiben auch hier noch viele Fragen offen.
Digitale Teilhabe
Deutlich wird jedoch, welche Bedeutung die fortschreitende Digitalisierung sowohl für die gesamte Gesellschaft als auch für den einzelnen Menschen und dessen Lebenswelt hat. Die zukünftige Herausforderung wird darin bestehen, informiert und selbstbestimmt in digitalisierten Lebenswelten handeln zu können. Denn: Digital dabei sein, teilzuhaben, bedeutet mehr als nur digital „angeschlossen“ zu sein. Es bedeutet digitalisierte Bereiche der eigenen Lebenswelt kreativ und aktiv mitzugestalten, sich einzubringen, aber auch die Chancen und Risiken zu erkennen und mit ihnen umgehen zu können. Dazu bedarf es gerade für Zielgruppen, die nicht mit digitalen Medien aufgewachsen sind, geeigneter Unterstützungsangebote etwa in Form von Senioren-Internet-Treffs, Kursangeboten oder Informationsplattformen, um digitale Technologien kompetent, selbstbestimmt und aufgeklärt zu nutzen. Denn in den obigen Beispielen wird deutlich: Wer digital nicht dabei ist, ist oft auch sozial nicht dabei. (Digitale) Veränderungen in den Lebenswelten bedingen deshalb auch immer Lern- und Anpassungsprozesse.
Veränderungen als Chance sehen
Zentral bei allen oben beschriebenen lebensweltlichen Transformationen ist das positive Erleben der Digitalisierung. Dazu gehört unter anderem Erfolge festzustellen und Mut zu entwickeln, sich mit neuen Technologien auseinanderzusetzen beziehungsweise vertraut zu machen. Spannungsfelder sind trotzdem quasi „vorprogrammiert“, denn nicht immer durchlaufen Menschen Veränderungsprozesse freiwillig. Ganz im Gegenteil: Dadurch, dass die Nutzung des Internets, eines Smartphones oder Tablets immer selbstverständlicher wird, kann sich bei den Menschen, die noch keinen Zugang zu diesen Technologien haben, Anpassungsdruck aufbauen und zunächst die Skepsis gegenüber digitalen Neuerungen überwiegen. Wichtig ist daher, dass über verschiedene Zugänge, Vertrauen in moderne Technologie gewonnen wird und positive Aspekte lokalisiert werden können. Hierzu gehört sicherlich auch, dass Sicherheitsfragen im Kontext digitaler Technologien diskutiert werden. Zugleich sollten sie nicht „verinselt“ in den Vordergrund gestellt, sondern vielmehr im Kontext einer konkreten Entwicklung mit thematisiert werden. Im Kern geht es darum, ein Bewusstsein für die Möglichkeiten moderner Technologien zu bekommen und eigene Entscheidungen auf Basis guter Informationen treffen zu können, also selbstständig handlungsfähig zu werden.
Digitale Kompetenz
Um sich die Ressourcen moderner Technologien zu erschließen, bedarf es jedoch digitaler Kompetenz; und diese geht weit über die reine Nutzung hinaus. Digitale Medien sind in den einzelnen Lebenswelten der Menschen verankert. Das heißt, dass eine konstruktive und dadurch erfolgreiche Auseinandersetzung mit der Technologie insbesondere gewährleistet ist, wenn der Nutzen derselben für die eigene Welt erkannt wird. Was nützt es, wenn man weiß, wie ein Smartphone bedient wird, aber keine konkreten Anwendungsmöglichkeiten sieht? Medienkompetenz bedeutet also auch den Kontext und die Welt zu verstehen, in die digitale Medien eingebunden sind. Angesichts der Digitalisierung wird diese Welt immer komplexer und unvorhersehbarer. Das aktive Teilnehmen an modernen Entwicklungen ist unabdingbar, denn die fortschreitende Digitalisierung ist nicht aufzuhalten. Die digitalen Technologien bieten aber auch eine Vielzahl an Möglichkeiten und können das Leben entscheidend erleichtern und bereichern.
Autoren: Dr. Florian Preßmar und Fabian Geib