Digitalisierung bietet gerade in Bezug auf Nachhaltigkeit viele gute Lösungen. Dienstreisen, die durch Videokonferenzen ersetzt werden, oder smarte Haushaltsgeräte, die den Stromverbrauch reduzieren. Die Herstellung und Nutzung digitaler Technik hat auch Nachteile. Welche das sind und was ihre Enkel damit zu tun haben könnten, das erklären wir in diesem Beitrag.
Was ist digitale Nachhaltigkeit?
1972 erschien die Veröffentlichung des Club of Rome (Gemeinnützige Organisation, die sich für eine nachhaltige Zukunft der Menschheit einsetzt) mit dem Titel „Die Grenzen des Wachstums“.
Spätestens ab diesem Zeitpunkt wurde „Nachhaltigkeit“ zu einem Leitbild auf politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Ebene. Und das nicht nur mit Blick auf Umweltbelange. Auch Fragen nach der globalen und generationsübergreifenden Gerechtigkeit sind Nachhaltigkeitsfragen. Denn während der frühindustrialisierte globale Norden vom wirtschaftlichen Wachstum profitiert, liefert der globale Süden zwar viele Rohstoffe, profitiert aber zumindest deutlich weniger vom Wohlstand der Nordhalbkugel. Und künftige Generationen sind mit einem zunehmend verbrauchten Planeten konfrontiert.
Die Enkeltauglichkeit
Der Begriff „Nachhaltigkeit“ ist häufig in Verwendung. Historisch gesehen existiert eine große Zahl an Definitionen. Am bekanntesten und nach wie vor in Gebrauch ist die Definition von Gro Harlem Brundtland aus ihrem Bericht an die Vereinten Nationen von 1987.
Übersetzt steht dort zu lesen: „Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die gewährt, dass künftige Generationen nicht schlechter gestellt sind, ihre Bedürfnisse zu befriedigen als gegenwärtig lebende.“ Zentral an dieser Definition ist der darin enthaltene Generationenvertrag, der in den letzten Jahren manchmal mit dem Begriff der „Enkeltauglichkeit“ treffend zusammengefasst wird.
Nachhaltiges Handeln
Wirklich nachhaltiges Handeln muss mehrere Ebenen berücksichtigen die Umwelt, die Wirtschaft und die Gesellschaft.
An einem Beispiel lässt sich der Zusammenhang erklären. Angenommen, der Gesetzgeber gibt vor, dass digitale Geräte wie Smartphones zukünftig einfacher reparierbar sein müssen. Diese Maßnahme zielt in erster Linie auf die Umwelt und auf die gesellschaftliche Ebene ab. Umweltschutz durch weniger Elektroschrott und günstigere Reparaturen für Verbraucher*innen. Diese Vorgabe kann aber erst dann als nachhaltig gelten, wenn sie auch wirtschaftliche Gesichtspunkte einbezieht. Bei diesem Beispiel müsste die Maßnahme also einerseits etwa Kleinunternehmen subventionieren (Leistung aus öffentlichen Mitteln beziehen), die sich auf solche Reparaturen spezialisieren. Auf der anderen Seite bräuchte es ordnungspolitische Maßnahmen, um den Herstellern der Smartphones Vorgaben zur Reparierbarkeit der Geräte zu machen.
Wie Nachhaltigkeit erreicht werden kann
Die Maßnahmen, mit denen Nachhaltigkeit erreicht werden kann, zielen auf „bessere Produktion“, „andere Produktion“ und „weniger Produktion“ von elektronischen Geräten ab. Sie werden mit den Begriffen Effizienz, Konsistenz und Suffizienz beschrieben.
- Effizienz = „besser produzieren“: „Besser“ bedeutet, mit weniger Ressourceneinsatz (Geld, Zeit, Energie, Rohstoff …) dieselbe Menge Produkt herzustellen.
- Konsistenz = „anders produzieren“: „Anders“ bedeutet, Produkte zu optimieren, und zwar so, dass im Vergleich zum vorherigen Produkt der Ressourcenverbrauch gemindert wird. Dies kann erreicht werden, indem ressourcenschonendere Verfahren verwendet werden oder auch biologisch nachwachsende oder abbaubare Materialien eingesetzt werden. Das bekannteste Beispiel ist Recycling. Dabei werden Ressourcen einer Weiterverwendung zugänglich gemacht und nicht einfach vernichtet.
- Suffizienz = „weniger produzieren“: Die wohl drastischste der drei Maßnahmen soll dafür sorgen, dass der Energie- und Rohstoffverbrauch auf ein Mindestmaß beschränkt werden.
Doch bei steigender Nachfrage wird kaum ein Unternehmen weniger produzieren. Aufgeklärte Konsument*innen, die sich bewusst für oder gegen den Konsum von Produkten entscheiden, können hier ein Schlüssel sein. Verbraucher*innen sollten sich deshalb immer die Frage stellen, was und wie viel davon sie wirklich für einen guten Lebensstandard brauchen.
„Besser produzieren“ (Effizienz) und „anders produzieren“ (Konsistenz) allein reichen nicht aus, um Nachhaltigkeit zu erreichen. Nur durch „weniger produzieren“ (Suffizienz), also weniger Produktion und weniger Konsum, lassen sich wirklich nachhaltige Erfolge erzielen. Durch „bessere Produktion“ werden auf der einen Seite Ressourcen eingespart, allerdings wird in vielen Fällen gleichzeitig ein Mehrverbrauch erzeugt. Hier wird von sogenannten Rebound-Effekten (englisch für Abprall- oder Rückschlageffekt) oder Bumerang-Effekten gesprochen.
Beispiel:
Die Ladekapazität der Akkus in Smartphones hat sich seit der Einführung des iPhones von Apple im Jahr 2007 verdoppelt. Smartphones müssten also doppelt so lange nutzbar sein, bis sie das nächste Mal zum Aufladen an die Steckdose müssen. Nur sind die Geräte seit 2007 viel leistungsfähiger und damit „energiehungriger“ geworden. Somit tritt die eigentliche Effizienz durch leistungsfähigere Akkus gar nicht zutage.
Andere Produktionsverfahren reichen als Maßnahme nicht aus, da bei jeder Wiederverwertung eines Materials dessen Qualität und Menge abnimmt. Dadurch spart eine Wiederverwertung zwar Ressourcen, ist aber aus genannten Gründen nicht dauerhaft durchführbar. Zu beachten ist auch, dass Recycling selbst teilweise viel Energie verbraucht. Darüber hinaus ist Recycling noch nicht weit verbreitet. Innerhalb der deutschen Industrielandschaft ist hier Optimierungsbedarf gegeben.
Im Jahr 2010 belief sich der Anteil in der Produktion eingesetzter recycelter Materialien in Deutschland lediglich auf 14 Prozent, global liegt der Anteil aktuell bei knapp 9 Prozent.
Die Beschränkung von Produktion und Konsum dagegen hat so gut wie keine Nebenwirkungen,wenn man von einer möglichen Änderung des Lebensstils absieht. Durch die Vermeidung von Produktion auf der einen und Verbrauch und Konsum auf der anderen Seite lässt es sich also am einfachsten nachhaltiger leben. In Kombination mit den anderen beiden Maßnahmen, also andere und bessere Produktion, lassen sich die größten Erfolge erzielen, ohne dass es zu einem Verlust an Lebensqualität kommen muss.
Weniger Produktion und Konsum haben den größten Effekt auf Nachhaltigkeit.
Digitalisierung
Man kann heute ohne Zweifel vom digitalen Zeitalter sprechen. Und es lässt sich sogar ein Zeitpunkt festlegen, wann dieses begann: Im Jahr 2002 war das erste Mal mehr Information in digitaler als in analoger Form gespeichert.
Dabei ist „Digitalisierung“ ein alter Begriff. In den 1970er-Jahren wurde er benutzt, um den technischen Vorgang zu beschreiben, der notwendig ist, um Informationen maschinenlesbar aufzubereiten und in digitale Formen zu verwandeln. Später wurde der Begriff „Digitalisierung“ im Zusammenhang mit Organisationen, hauptsächlich Unternehmen, verwendet.
Mehr und mehr Informations- und Kommunikationstechnologie (kurz: IKT) zog in die Fertigungshallen ein und veränderte die Produktionsprozesse grundlegend. Das bedeutet beispielsweise, dass die Gestaltung eines herzustellenden Produkts nicht mehr händisch, sondern am Computer entworfen und immer mehr organisatorische Tätigkeiten digital durchgeführt wurden.
Ab den 1980er-Jahren zog die IKT dann auch in die private Lebenswelt ein. Deutlich zu sehen war das durch Heimcomputer wie den Commodore C64 und Videospielkonsolen von Atari und Nintendo. Diese zunehmende Nutzung privat und im Beruf hatte auch Einfluss auf die Arbeitsorganisation, Zeitbudgets, Verwaltungsroutinen, Freizeitgestaltung oder Lebensstile.
Ab den 2000er-Jahren wurde der Begriff „Digitalisierung“ deshalb zunehmend beschreibend als Veränderung sozialer Strukturen und kultureller Praktiken genutzt. Begriffe wie „Informationszeitalter“, „Computerzeitalter“, „postindustrielle Gesellschaft“, „digitale Gesellschaft“, „Netzwerkgesellschaft“ oder „Wissensgesellschaft“ verdeutlichen die enormen Folgen auch auf gesellschaftlich-kultureller Ebene.
Die richtige Balance finden
Digitalisierung eröffnet Möglichkeiten, unser Leben und Arbeiten effizienter zu machen. Jedoch Effizienz allein ist kein Kriterium für Nachhaltigkeit – und das gilt auch im Bereich der Digitalisierung. An vielen Stellen können wir uns auch nicht einfach gegen Digitalisierung entscheiden, denn wir sind auf sie angewiesen. Vielmehr geht es darum, Digitalisierung und Nachhaltigkeit miteinander in Einklang zu bringen – für uns und nachfolgende Generationen.
Das gesamte Smart Surfer Modul „Digitale Nachhaltigkeit“ als PDF