Als Internet-Trainer für Senioren ist Hans-Peter Pesch immer in Kontakt mit Silver Surfern. Gemeinsam lernen sie die Vorzüge des Internets kennen, wobei oft der sichere Umgang mit dem Internet und der modernen Technik im Fokus steht. Ein Paradebeispiel aus den Kursen ist „Onkel Paul“ – wie er sich an das Internet herangetraut hat, zeigt dieser Bericht.
Mein weit über siebzigjähriger Onkel Paul begegnet mir sehr häufig in der Stadt, wenn er von Tante Hilde auf Einkaufstour geschickt wird. Manchmal bleibt genügend Zeit für einen Gedankenaustausch bei einer Tasse Kaffee. Unsere Gespräche führen schnell zu Themen wie neue Medien und Internet. Es sei für ihn alles viel zu schwierig und außerdem in seinem fortgeschrittenen Alter brauche er diesen „modernen Kram“ eigentlich nicht, war sein Tenor bis vor Kurzem.
Vorteile erkennen
Dann zeigte er mir stolz einen Zettel, den er immer mit sich führt. Nach der zweiten Bypass-OP und als Diabetiker sei eine Auflistung aller Medikamente und Erkrankungen im Falle eines Falles lebensrettend, so der Rat seines Hausarztes. Ob er sich vorstellen könne, dass er ähnlich einer Ohrmarke in der Tierwelt demnächst einen auslesbaren Chip, auf dem diese Daten gespeichert sind, an eine bestimmte Körperstelle unter die Haut eingepflanzt bekomme, war meine Frage. Der Zettel mit der Auflistung seiner Medikamente und Krankheitshistorie lässt sich ja so schnell nicht finden, wenn er mal bewusstlos und hilflos in einer Notlage dringend auf rasche ärztliche Hilfe angewiesen ist, untermauerte ich meine Ausführungen. Allein mein Vergleich mit der Tierwelt entrüstete ihn sehr. So wird das in Zukunft aber sein, denn jeder, dessen Krankheitsdaten an einer bestimmten Körperstelle schnell auffindbar und auslesbar sind, hat größere Überlebenschancen bei lebensrettenden Sofortmaßnahmen, insbesondere weil sich ja in den Jahren schon einiges an Daten angesammelt hat. Soweit zur Zukunft.
Aktiv teilnehmen
Dass jetzt schon unser hiesiger Verkehrsverbund keine gedruckten Fahrpläne mehr ausgibt und der Schalterbeamte an unserem „kleinen Hauptbahnhof“ demnächst wegrationalisiert sein wird, stimmte Onkel Paul dann doch nachdenklich. „Du musst jemand kennen, der sich im Internet zurechtfindet und dir die Fahrpläne ausdruckt, oder besser noch, selbst Internetteilnehmer werden“, schlug ich ihm vor. Man muss wissen, Onkel Paul zählt zu den gebildeten Zeitgenossen, ist sehr belesen und nimmt aktiv am Tagesgeschehen teil. Der Hinweis auf die Möglichkeit, im Internet neben Fahrplänen auch in den Archiven von „Spiegel“ und „Die Zeit“ von 1946 bis heute stöbern zu können und das zu jeder Tages- und Nachtzeit, war Teil meiner Überzeugungsarbeit, die ihn auf den Geschmack bringen sollte.
Kurze Zeit später rief er mich schließlich an und sagte: „Ich mach mit.“ Jetzt, nach der 3. Sitzung, ist Onkel Paul mein Vorzeige-Internetteilnehmer, er ist hoch motiviert und kommt aus dem Schwärmen nicht mehr heraus. Google Earth und die Seite der Deutschen Bahn sowie der „Code-Knacker“ sind seine absoluten Favoriten. Dass seine Enkel ihn jetzt den „coolen Opi“ nennen und er in deren Gunst an vorderster Stelle steht, macht ihn zusätzlich mächtig stolz. Das Verhalten von Onkel Paul entspricht ziemlich genau den Appellen von Gerald Gatterer, Wiener Professor für Geriatrie, „Enkel kommen gern zur Online-Oma“.