Wie wäre es, wenn alles, was in der Zeitung steht, jeweils auf die persönlichen Interessen jedes einzelnen Menschen abgestimmt wäre? Im Internet ist das bereits gängige Praxis. Möglich wird dies durch einen Algorithmus, ein Computerprogramm, das wie eine Art Redaktion entscheidet, welche Informationen und Nachrichten Nutzerinnen und Nutzer bei Suchanfragen oder in sozialen Netzwerken erhalten. Bevorzugt werden so Ergebnisse aufgezeigt, die mit den eigenen Interessen oder Meinungen übereinstimmen – die Informationen also gefiltert. Doch verfälscht das nicht die Meinungsbildung? Besteht nicht die Gefahr, dass Nutzerinnen und Nutzer in die sogenannte Filterblase geraten? Was steckt hinter dem Konzept und wie groß ist der Einfluss von Filterblasen wirklich?
Der Begriff Filterblase, Englisch „filter bubble“, wurde 2011 vom amerikanischen Politaktivisten Eli Pariser in seinem Buch „The Filter Bubble“ geprägt. Ihm ist aufgefallen, dass zwei verschiedene Nutzer bei der gleichen Internetsuchanfrage unterschiedliche Ergebnisse erhalten können. Als Beispiel nennt er zwei Personen, die beide nach dem Stichwort „BP“ – also dem britischen Mineralölunternehmen – suchen. Während die eine Person Nachrichten zu Investitionsmöglichkeiten angezeigt bekommt, wird die andere über die durch BP verursachte Ölkatastrophe im Jahr 2010 informiert. Wie lässt sich das erklären?
Maßgeschneiderte Informationen
Nutzerinnen und Nutzer werden im Internet getrackt, das heißt alle Bewegungen, die sie im Internet vornehmen, werden aufgezeichnet. Unternehmen wie Google, Facebook und Co. speichern diese Bewegungen und erfahren so, auf welche Links eine Person bevorzugt klickt oder welche Schlagzeilen sie liest. Die Daten werden an Dritte weitergegeben, die den Nutzerinnen und Nutzern dann maßgeschneiderte Werbung anbieten können.
Mit der Zeit sammeln sich so Informationen an, die Aufschluss über die persönlichen Interessen und Vorlieben eines Menschen geben. Hinzu kommt die Interaktion mit anderen Personen online. Vor allem in sozialen Netzwerken findet der Austausch über verschiedenste Themen statt. Daraus lässt sich folgern, welche Meinung man zu einem bestimmten Thema hat. Sucht die Person jetzt etwas im Internet, werden ihr bevorzugt Seiten angezeigt, die den eigenen Interessen bzw. der eigenen Meinung entsprechen.
Was ist eine Filterblase?
Aufgrund dieser Einschränkungen besteht die Gefahr, dass eine Auseinandersetzung mit anderen Interessen und Meinungen verhindert wird. Nach Eli Pariser gehen so Kritik und Diskussionen verloren, da abweichende Meinungen ausgeblendet werden und die ständige Selbstbestätigung im Fokus steht. Dieses Phänomen bezeichnet er als Filterbase.
Sinnbildlich kann man sich die „filter bubble“ auch als eine Art Fruchtblase vorstellen: Sie ist warm, sicher und man fühlt sich wohlbehütet. Sie schützt vor Störgeräuschen, stellt einen Wohlfühlbereich dar und lässt nur das rein, was erwünscht ist. Doch statt vor Bakterien und Keimen schützt die Filterblase vor fremden Meinungen, die nicht mit dem eigenen Weltbild übereinstimmen.
Ein verwandtes Modell in der Kommunikationswissenschaft ist die Echo-Kammer. Hier geht man davon aus, dass man sich in sozialen Netzwerken überwiegend mit Gleichgesinnten austauscht und vernetzt, wodurch es zu einer Verengung der eigenen Weltsicht kommen kann. Die eigene Facebook-Seite wird so zur personalisierten Nachrichtenquelle.
Der Einfluss von Filterblasen
Vor allem die einseitige Wahrnehmung und Meinungsvermittlung bei politischen Themen wird in der Wissenschaft und in den Medien momentan diskutiert. Manche gehen davon aus, dass die personalisierten Nachrichtenquellen eine konstruktive Auseinandersetzung mit politischen Fremdmeinungen verhindern. Andere wiederum halten den Effekt für überschätzt. Ob und vor allem in welchem Ausmaß die Filterblase Einfluss auf die persönliche Meinungsbildung und Internetsuche nimmt, ist noch nicht abschließend geklärt. Fakt ist, dass die Forschung noch am Anfang steht.
Prof. Dr. Birgit Stark vom Institut für Publizistik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) hat in Zusammenarbeit mit der Landesanstalt für Medien NRW (LfM) kürzlich Ergebnisse einer neuen empirischen Studie präsentiert, wonach der Effekt von Filterblasen überschätzt wird. Das liegt vor allem daran, dass sich Benutzerinnen und Benutzer informieren, in viele verschiedene Kommunikationsnetzwerke eingebunden sind oder auch weiterhin mehrere klassische und somit ausgewogene Quellen nutzen. Außerdem kommunizieren Menschen auch persönlich untereinander und nicht nur über soziale Netzwerke.
Filterblasen – Im Kern ein alter Schuh?
Die Thematik ist jedenfalls nicht neu, die Manipulation durch Informationen und Nachrichten existiert schon lange. Das Phänomen der „filter bubble“ gibt es auch abseits des Internets. Viele Menschen lesen zum Beispiel ihre bevorzugte Zeitung und beziehen daraus hauptsächlich ihre Informationen. Die meisten Zeitungen haben aber eine gewisse politische Ausrichtung. Also auch hier kann man, wenn man will, ständig in seiner Meinung bestätigt werden. Ein anderes Beispiel wäre der Stammtisch oder auch der Freundeskreis, bei dem sich Gleichgesinnte treffen, um sich über Themen auszutauschen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese ähnliche politische Ausrichtungen bzw. Weltbilder haben. Filterblasen können also auch offline existieren. Das Internet überträgt die Thematik nur noch mal in ein anderes Medium, doch das Problem bleibt im Kern das gleiche.
Selbstverschuldete Unmündigkeit
Ein Verbot oder Neuprogrammierung der Algorithmen würde kaum die Problematik lösen. Das Internet ist nicht schuld daran, sondern der Umgang mit ihm. Notwendig ist es, mit offenen Augen durch die Welt und das Netz zu gehen, stets verschiedene Quellen zu Rate zu ziehen, Dinge kritisch zu hinterfragen oder die politische Diskussion zu suchen. Dies kann zu einer kritischen Auseinandersetzung beitragen, zu neuen Sichtweisen führen und eine Gesprächskultur fördern. Hilfestellung bietet dabei auch das Internet, über das sich Nachrichten und Informationen auf ihre Stichhaltigkeit überprüfen oder soziale Kontakte und politische Meinungen erweitern lassen.
Weiterführende Links
Die Heinrich-Böll-Stiftung informiert in ihrem Podcast über Filterblasen, Echo-Kammern und Fake News.
Die Initiative AlgorithmWatch analysiert Prozesse algorithmischer Entscheidungsfindung und untersucht den Einfluss von Filterblasen auf die Meinungsbildung.
Die Süddeutsche berichtet auf der Website über die Problematik Filterblase.