Mit dem Smartphone unterwegs ein Bild in die Familiengruppe schicken, mal schnell in einer Suchmaschine etwas nachschauen oder jederzeit die aktuellsten Nachrichten in Onlineportalen lesen: Viele alltägliche Dinge und Routinen sind mittlerweile fest mit dem Internet und seinen Anwendungen verknüpft und aus dem Leben nicht mehr wegzudenken. Wie stark die Verknüpfung von Alltag und Internet ist, zeigen auch Studien wie die ARD/ZDF-Onlinestudie: Im Jahr 2021 nutzten 54 Millionen Menschen in Deutschland an einem durchschnittlichen Tag das Internet, 67 Millionen Menschen sind generell Onliner*innen. Vor allem in jüngere Altersgruppen bis zum 50. Lebensjahr ist nahezu jede und jeder täglich im Internet unterwegs.
Die Internetnutzung ab dem 60. Lebensjahr
Anders verhält es sich bei Personen ab 60 Jahren. Zwar sind auch in den höheren Lebensaltern seit Jahren immer mehr Menschen Onliner*innen, jedoch ist nach wie vor eine große Gruppe von älteren Menschen offline, das zeigen die Ergebnisse der SIM-Studie (Senior*innen, Information, Medien). Die repräsentative Basisuntersuchung des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest zum Medienumgang von Personen ab 60 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland wurde im Jahr 2022 erstmals veröffentlicht. In Deutschland zählt jede*r Fünfte ab 60 Jahren (19 Prozent) zu den sogenannten Offliner*innen, das heißt: Diese Personen nutzen das Internet aus verschiedenen Gründen nicht. Die Studie zeigt aber auch: Vor allem das Alter eines Menschen entscheidet darüber, ob und wie intensiv das Internet genutzt wird. Während 92 Prozent der 60- bis 69-Jährigen Onliner*innen sind, sind es zwischen 70 und 79 Jahren noch 82 Prozent und ab 80 Jahren nur noch 51 Prozent. Damit ist jede zweite Person über 80 Jahren offline.
Auch das Geschlecht hat einen deutlichen Einfluss auf die Internetnutzung: Knapp jede vierte Frau (23 Prozent) über 60 Jahren ist offline, bei den Männer sind es 14 Prozent. Zusätzlich haben Bildung und Einkommen einen wesentlichen Einfluss auf die Nutzung des Internets. So ist jede vierte Person (27 Prozent) mit einem Haupt- oder Volksschulabschluss nicht im Internet unterwegs (mit Abitur oder Studium 7 Prozent, mit Abschluss einer weiterführenden Schule 12 Prozent). Ähnlich verhält es sich beim Haushaltsnettoeinkommen: 41 Prozent der Personen ab 60 Jahren mit einem niedrigen Einkommen (unter 1.000 Euro pro Monat) und 28 Prozent mit einem Haushaltsnettoeinkommen zwischen 1.000 und 2.000 Euro sind Offliner*innen (2.000 Euro und mehr: 8 Prozent). Kumuliert man diese Faktoren, wird die Heterogenität deutlich:
Von den älteren nicht-alleinlebenden Männern aus den alten Bundesländern und mit hohem Bildungs- und Einkommensstatus nutzen bereits 97 Prozent das Internet; von den älteren alleinlebenden Frauen aus den neuen Bundesländern und mit niedrigem Bildungs- und Einkommensstatus sind es nur 37 Prozent.
Warum wird das Internet nicht genutzt?
Aber warum wird das Internet nach wie vor von vielen älteren Menschen nicht genutzt? Die Antworten auf die Frage, warum Personen offline sind, sind vielfältig. Eine wichtige Rolle spielt der mangelnde Bedarf, sich mit der Onlinewelt auseinanderzusetzen. Mit 88 Prozent gab ein Großteil der Offliner*innen in der SIM-Studie an, dass ihnen die Informations- und Unterhaltungsangebote von Presse, Radio und Fernsehen ausreichen. 81 Prozent brauchen das Internet weder beruflich noch privat und sehen keinen Nutzen darin; 60 Prozent der befragten Offliner*innen haben weder Zeit noch Lust, sich mit dem Internet zu beschäftigen. Auch der Aufwand zum Erlernen digitaler Technologien und das Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten spielen eine wichtige Rolle. Die Studie zeigt zudem, dass oft Ängste und Sicherheitsbedenken bei Offliner*innen vorhanden sind und es auch an Unterstützer*innen mangelt, die den Einstieg ins Internet begleiten und Mut machen, sich im höheren Lebensalter noch mit digitalen Technologien zu beschäftigen.
Warum ist der Zugang zum Internet so wichtig?
Die Ergebnisse der SIM-Studie verdeutlichen, dass ältere Menschen, die das Internet nicht nutzen, hierfür verschiedensten Gründe haben. Neben dem zentralen Grund, dass kein konkreter Nutzen in der Zuwendung zu digitalen Medien gesehen wird, bestehen oft Einstiegshürden, die überwunden werden müssen. Um diese zu überwinden, bedarf es Zeit, Lust und insbesondere soziale Unterstützungsressourcen. Die Lebenswelten älterer Menschen wandeln sich vor dem Hintergrund der Digitalisierung rasant. Erledigungen des Alltags, wie Bankgeschäfte oder Behördengänge, der Kontakt zur Familie und moderne Unterhaltungswelten bleiben von digitalen Technologien nicht unberührt. Diese Entwicklungen können zu teils gezwungenen und unfreiwilligen Veränderungen in routinierten Verhaltensweisen führen, da sonst der Zugang zum sozialen Miteinander, wichtigen Informationen und Kommunikations- sowie Unterhaltungsräumen fehlt.
Digitale Teilhabe ist soziale Teilhabe
Im Umkehrschluss tragen digitale Medien dazu bei, Kommunikationsmöglichkeiten zu erhalten oder neue zu eröffnen, den Alltag, auch bei eingeschränkter Mobilität, über das Internet zu organisieren, Kunst, Kultur und gesellschaftliches Leben ins Haus zu holen, ohne einen Fuß vor die Tür setzen zu müssen und viele Abläufe, etwa Behördengänge, zu vereinfachen. Damit wird die Teilhabe an digitalen Informations- und Kommunikationsprozessen zur Teilhabe am sozialen, gesellschaftlichen und kulturellen Leben. Digitale Teilhabe kann dann zur Erhaltung und Steigerung von Lebensqualität im Alter beitragen und eine selbstständige Lebensführung ermöglichen.
Der Schlüssel zur Onlinewelt ist digitale Kompetenz
Der Einstieg in die digitale Welt ist für viele ältere Menschen nicht einfach. Gerade den Personengruppen, die weder beruflich noch privat Kontakt zu digitalen Technologien hatten, fehlen oft Kompetenzen für einen souveränen Umgang. Damit ist nicht nur die Bedienung von Smartphones, Tablets oder anderen digitalen Gerätschaften gemeint. Es geht vielmehr darum, in einer komplexen digitalen Welt Orientierung zu erlangen, um souverän und selbstbestimmt handeln zu können. Und genau hierin liegt die Herausforderungen für Bildungsmaßnahmen und Projekte. Ältere Menschen auf ihrem Weg in die digitale Welt zu begleiten, erfordert unter anderem Handeln in sehr heterogenen Lebenswelten und vor dem Hintergrund verschiedenster Lebensbiografien. Hierfür bedarf es individualisierter Angebote, die die Bedürfnisse des einzelnen Menschen einbeziehen, Sorgen, Ängste und Nöte ernst nehmen und Mut machen, sich auch im höheren Lebensalter noch Kompetenzen im Umgang mit digitalen Technologien anzueignen.
Passgenaue Hilfe für den späten Einstieg in die digitale Welt
An diesem Punkt knüpfen Projekte wie „Digital-Botschafterinnen und -Botschafter Rheinland-Pfalz“ an. Sie stellen sich der Herausforderung, passgenaue Hilfen auf Augenhöhe und individueller Basis vor Ort anzubieten. Im Gegensatz zu strukturierten Kursangeboten gehen die Ehrenamtlichen kleinschrittig und individuell auf die Fragen, Wünsche und Ängste von Hilfesuchenden ein und leisten, teilweise in Eins-zu-eins-Situationen, wichtige Unterstützung für einen gelingenden Start in die digitale Welt.
Wichtig ist außerdem, dass nicht nur reine Anfänger*innen Hilfe und Rat erhalten. So zeigen die Ergebnisse der SIM-Studie, dass auf der einen Seite viele Menschen ab 60 Jahren das Internet nutzen, auf der anderen Seite aber der Grad der Digitalisierung höchst unterschiedlich ist und viele ältere Menschen, die den Schritt in die digitale Welt bereits gewagt haben und Onliner*innen sind, trotzdem vor großen Herausforderungen stehen. Diese unterschiedlichen Zielgruppen, unabhängig von der Dichotomie Off- und Onliner*innen, im Auge zu behalten und passende Angebote zu bieten, die sich an aktuellen Geräten und Diensten orientieren, wird eine Aufgabe für die Zukunft sein.
Autoren:
Thomas Rathgeb ist Leiter der Abteilung Medienkompetenz, Jugendmedienschutz und Forschung an der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg Leiter des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest und gemeinsam mit Prof. Dr. Michael Doh, Studienleiter der SIM-Studie 2021.
Dr. Florian Tremmel arbeitet als Referent für Offene Kanäle und Medienkompetenz bei der Medienanstalt Rheinland-Pfalz. Zudem ist er Mitentwickler und Redaktionsmitglied in den Projekten „Silver Tipps – mit Freude online!“ und „Digital-Botschafterinnen und -Botschafter Rheinland-Pfalz“. An der SIM-Studie beteiligte er sich als Autor.
Fabian Geib ist Referent für Medienkompetenz bei der Stiftung Medien-Kompetenz Forum Südwest. Aktuell ist er Teamleiter und Koordinator im Projekt „Digital-Botschafterinnen und -Botschafter Rheinland-Pfalz“ sowie Redaktionsleiter des Senioren-Internet-Magazins