Für die meisten Menschen hat der Umgang mit Smartphone, PC und Laptop einen großen Reiz. Auch ältere Menschen nehmen gerne die Anstrengung auf sich, das Neue zu lernen und die Unsicherheiten zu besiegen. Neben der Nutzung eines stationären PCs ist die Nutzung von Laptop und Smartphone besonders interessant, da diese Geräte mobil sind. Im Garten beim Grillen die Familie per Video anzurufen, gemütlich im Sessel die Wetter-App zu studieren und im Kalender alle persönlichen Termine jederzeit parat zu haben: Die Möglichkeiten sind schier grenzenlos.
Doch es gilt viele Hürden zu überwinden: das richtige Gerät, der richtige Internetprovider und die passende Lösungsstrategie bei auftretenden Fragen und Problemen. Ältere Menschen haben dabei viele Vorteile. Sie können auf einen großen Erfahrungsschatz beim Lernen zurückgreifen, sind meist gut vernetzt oder haben Kinder und Enkel*innen, die ihnen helfen. Auch Nachbar*innen unterstützen oft, wenn etwas nicht funktioniert.
Wie sich Ältere zu Digitalthemen verhalten, war bisher noch wenig erforscht. Das ändert sich jetzt durch die neue SIM-Studie des Medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest. SIM steht für Senior*innen, Information, Medien und ist eine „Schwester“ der bekannten Jugendmedienstudie JIM. Es wurden deutschlandweit über 3.000 Personen ab 60 Jahre zu ihrem Medienumgang befragt. Die SIM-Studie gibt neue, interessante Einblicke in die digitale Welt von Menschen 60 plus und bestätigt, dass die generelle Beschäftigung mit dem Internet mit zunehmendem Alter abnimmt. Zugleich zeigt sich ab dem 75. Lebensjahr eine sehr deutliche Zunahme an Offliner*innen, die ab dem 85. Lebensjahr noch einmal besonders stark ausfällt. Der Ist-Zustand: Ab 60 Jahre sind 81 Prozent online, zwischen 80 und 84 Jahren sind 60 Prozent online, mit 85 Jahren und älter sind es noch 35 Prozent. Dabei haben Bildungshintergrund und Einkommen einen wesentlichen Einfluss auf die Nutzung des Internets. Frauen ab 60 Jahren sind mit 23 Prozent zudem deutlich häufiger Offlinerinnen als Männer mit 14 Prozent.
Elfriede S., 83 Jahre alt, ist meine Patentante – und Autodidaktin. Bis vor zwei Jahren kannte sie das Internet nur vom Hörensagen. Doch sie war neugierig. Als ehemalige Chemotechnikerin hatte sie keine Berührungsängste mit Technik im Allgemeinen. Ihre Nichte schenkte ihr ihr altes Smartphone, und die Seniorin startete durch. Immer öfter erreichten auch mich, die Autorin, Anrufe, die anfingen mit den Worten: „Hör mal, wie kann ich …?“ Wenn es telefonisch nicht zu klären war, halfen besagte Nichte, die Nachbar*innen oder andere Bekannte.
Wilfried J., 81 Jahre alt, nutzt erst seit letztem Jahr das Internet. Noch ist er vorsichtig und traut sich noch nicht allzu viel zu. Unterstützung beim Entdecken der digitalen Welt erhält er durch eine Digital-Botschafterin. Als ich ihn für diesen Artikel interviewte, erzählte er mir sofort von seinen vielseitigen Interessen: Pflanzen, Reisen, Tiere, Gesundheit. Für den Mainzer ist auch die Fastnacht ein großes Thema. Wer sich für viele Themen interessiert, hat im Internet natürlich eine riesige Fundgrube an Wissen.
Mit Spaß in die digitale Welt
Eines Tages erreichte mich ein Anruf per Facetime. Facetime ist das Videotelefonie-Angebot von Apple. Auch andere Instant Messenger wie Signal, Threema oder WhatsApp haben diese Funktion und funktionieren auch auf Android-Handys. Elfriede S. rief mich an, da sie das Kamerasymbol der App entdeckt hatte. Mehr oder weniger ein Zufallstreffer der technikbegabten Seniorin, der uns viel Freude bereitete und seitdem zu ihrer neuen Smartphone-Welt gehört. Wilfried J. möchte auch noch so viel lernen und verstehen. Seine nächsten Projekte: Fotos verschicken per WhatsApp und per Video an der Vereinssitzung teilnehmen. Doch wie soll er das bewältigen? Hier sind es zwei wesentliche Herausforderungen, vor denen er steht: Wen soll er fragen? Er kennt zwar genügend Menschen, die ihm das Internet erklären könnten, aber er möchte niemandem zur Last fallen. Als älterer Mensch hat er zudem die Erfahrung gemacht, dass es nicht immer reicht, etwas einmal erklärt zu bekommen. Ein paar Tage später – und schon ist das Gelernte vergessen. Hier braucht es Lernstrategien, die für jede und jeden persönlich passen müssen. Für Wilfried J. kann die Begegnung mit dem Projekt Digital-Botschafterinnen und -Botschafter die Lösung werden. An dem ersten Treffen in einem Mainzer Seniorenzentrum hat er bereits teilgenommen. Hier trifft man sich und bekommt Antworten auf die persönlichen Fragen und Unklarheiten. Die Treffen finden regelmäßig statt und sind kostenlos. Dort kann er alles fragen und bekommt immer einen Tipp.
Das Internet als praktischer Alltagshelfer
Doch so erfolgreich und sicher viele Senior*innen sich inzwischen auf den verschiedenen Endgeräten bewegen – für viele ist der PC der erste Schritt, denn auf einem Smartphone mit kleinem Bildschirm lassen sich Dinge schwerer erkennen. Auf dem Smartphone hingegen lockt die App-Nutzung. Diese variiert natürlich stark je nach den jeweiligen Bedürfnissen. Da gibt es die Service-Apps zum Thema Wetter oder öffentlicher Nahverkehr, die Mitmach-Apps etwa für die sozialen Netzwerke und die Unterhaltungs-Apps mit Zugang zu Mediatheken oder auch zu Spielen. Die richtigen Apps werden zu praktischen Alltagshelfern, die man bald schon nicht mehr missen möchte.
Elfriede S. hat mit ihrem Tablet eines ihrer größten Probleme lösen können: Sie bestellt seit einiger Zeit ihre Lebensmittel im Internet und muss nun nicht mehr an schlechten Tagen mit Rollator und Bus in den Nachbarort zum Supermarkt fahren. Ein riesiger Vorteil für sie. Onlineshopping und Onlinebanking sind in der Altersgruppe noch nicht alltäglich, obwohl gerade hier der Gewinn an Unabhängigkeit mit am größten ist.
Und auch Wilfried J. hat sich ein Stück Freiheit erobert. Er ist nun bei Facebook und damit ständig informiert, was gerade in seinem Umfeld passiert. Besonders schätzt er, dass er die Geburtstage seiner Bekannten im Blick hat und schnell und zuverlässig gratulieren kann. Bei der Nutzung sozialer Netzwerke liegt er damit ganz weit vorne. 26 Prozent der Onliner*innen zwischen 70 und 79 Jahren und 17 Prozent der Onliner*innen über 80 Jahre sind in sozialen Medien unterwegs. Die Nutzung von Facebook ist hier die am häufigsten in der SIM-Studie genannte.
Digital-Botschafter*innen teilen ihre eigenen Erfahrungen
Aus Elfriede S. und Wilfried J. könnten eines Tages Digital-Botschafter*innen werden und die von ihnen erworbenen Kompetenzen an Menschen ihrer Altersgruppe weitergeben. Das Lernen unter Gleichaltrigen ist nicht nur in der Schulzeit erfolgreich und sinnvoll, sondern auch im höheren Alter. Von Senior*in zu Senior*in ist die Kommunikation einfacher und beide verstehen sich deutlich leichter, da sie ein ähnliches Vokabular benutzen und auch eine ähnliche Sprech- und Verständnisgeschwindigkeit haben sowie vergleichbare kulturelle Prägungen.