Seit über 17 Jahren existiert die Suchmaschine Google. Binnen weniger Jahre ist das „Googeln“ zur globalen Kulturtechnik avanciert und hat den Umgang mit Wissen dramatisch verändert. Denn Suchmaschinenbetreiber wie Google ermöglichen und gestalten den Zugang zu Informationen im Netz. Als Orientierungs- und Navigationshilfen erschließen sie den Nutzern die Vielfalt der Inhalte im Netz. Sie machen Informationen online erst zugänglich und damit das Netz als grenzenloses Informationsportal im Alltag nutzbar. Dadurch bestimmen sie, welche Informationen im Netz gefunden werden und welche nicht. Das heißt aber auch: Netzinhalte, die nicht durch Suchmaschinen auffindbar sind, existieren für die breite Masse der Nutzer nicht.
Welche Risiken naives Vertrauen in Navigationshilfen für die Gesellschaft und den einzelnen Bürger bergen kann, zeigt das Beispiel Google sehr anschaulich: Auf Google entfallen 95 Prozent aller Suchanfragen in Deutschland. Weit über fünf Milliarden Suchanfragen werden täglich an Google gestellt, im Monat sind es über hundert Milliarden. Kaum ein anderes Unternehmen hat im täglichen Leben so viel Platz eingenommen wie Google. Nahezu alle Nutzerinnen und Nutzer verlassen sich online auf die durch Rangreihenfolgen begründeten Relevanzzuschreibungen von Google.
Was bedeutet dieses Machtmonopol von Google für die Nutzerinnen und Nutzer? Google wird über Werbung finanziert. Um diese zielgerichtet zu vermarkten und die Nutzerinnen und Nutzer noch fester an sich binden zu können, arbeitet das Unternehmen mit personalisierten Suchergebnissen: Gespeicherte Daten über bisherige Suchvorgänge werden zur Grundlage für den individualisierten Zuschnitt künftiger Trefferlisten. Immer wieder wird die Frage aufgeworfen, ob die so genannte Personalisierung der Suche die Wahrnehmung von Themen und damit die Meinungsbildung beeinflusst.
Ein aktuelles, interdisziplinäres Forschungsprojekt untersucht, wie Menschen mit Suchmaschinen umgehen und wie stark ihnen die eingangs erwähnten Probleme bewusst sind (Stark/Dörr & Aufenanger 2014). Auf der Basis einer Nutzerbefragung wird die Kompetenz der Nutzerinnen und Nutzer im Umgang mit Suchmaschinen analysiert.
Die Ergebnisse belegen, dass unter den Internetnutzerinnen und -nutzern ein durchweg unkritisches, naives Bild von Google als Unternehmen vorherrscht, das sich auch im Umgang mit der Suchmaschine spiegelt. In der alltäglichen Nutzung vertrauen viele blind auf die Auswahl- und Rangentscheidungen, ohne diese kritisch zu bewerten oder zu hinterfragen. Besonders einflussreich sind dabei die automatischen Vorschläge bei der Eingabe von Suchbegriffen. Obwohl der Großteil der Befragten die eigene Kompetenz im Umgang mit Suchmaschinen als gut bewertet, offenbart ein Wissensquiz, dass die breite Masse allenfalls in Ansätzen darüber Bescheid weiß, wie Google funktioniert – bedingt sicherlich dadurch, dass dies die wenigsten überhaupt interessiert. Widersprüchlich wird auch die Weitergabe von Daten bewertet: Viele Befragte lehnen einerseits die Speicherung ihrer Daten explizit ab, finden andererseits aber die daraus resultierenden, auf sie zugeschnittenen Suchergebnisse begrüßenswert. Zudem wird im Quasi-Monopol von Google zwar ein zu großes Machtpotenzial erkannt, zugleich wird aber zugestanden, dass dieses durch das „beste Angebot“ gerechtfertigt sei.
Die Autoren der Studie schlussfolgern, dass das Wissen über die Funktionsweise von Suchmaschinen und das Problembewusstsein für mögliche Risiken geschärft werden müssen. Daher sollten medienpädagogische Maßnahmen die Aufklärung der Nutzerinnen und Nutzer in den Mittelpunkt stellen. Um den Zugang zur Informationsvielfalt zu gewährleisten, müssen Suchmaschinenanbieter stärker in die Verantwortung genommen werden – etwa durch die Verpflichtung, ihre technischen Verfahren (insbesondere die Voreinstellungen) transparenter zu machen und die Nutzerinnen und Nutzer auf damit verbundene Probleme hinzuweisen oder ihnen explizite Wahlmöglichkeiten (insbesondere bei der personalisierten versus generalisierten Suche) zu geben.
Zudem gilt: Es muss nicht immer Google sein, denn es gibt Alternativen. Beispielsweise wirbt die in Frankreich ansässige Suchmaschine „Qwant“ mit mehr Datenschutz, denn sie achtet besonders auf die Privatsphäre ihrer Nutzerinnen und Nutzer und speichert Daten über deren Suchverhalten nicht ab. Wahlmöglichkeiten bieten auch kleinere Suchmaschinen wie „DuckDuckGo“ oder „Ixquick“.
Literatur:
Stark, Birgit, Dörr, Dieter & Aufenanger, Stefan (Hrsg.) (2014). Die Googleisierung der Informationssuche. Suchmaschinen zwischen Nutzung und Regulierung. Reihe Medienkonvergenz, Band 10. Berlin: de Gruyter.