Birgit Pfirrmann, Kurt Leiner und Karl Schupp sind Digital-Botschafterinnen und -Botschafter der allerersten Stunde. Nur zwei Monate nach der Digital-Botschafter-Ausbildung starteten sie im Januar 2019 mit ihrem Projekt „Senioren ins Internet“ in Landau. Der Name ist dabei Programm: Sie entdecken gemeinsam mit Seniorinnen und Senioren die digitale Welt. Seit dem Start ist viel passiert. Inzwischen besteht das Team aus sechs Digital-Botschafter*innen, und diese konnten bereits über 2000 Besuche bei ihren Treffen zählen.
Birgit Pfirrmann ist durch das Radio auf das Projekt „Digital-Botschafterinnen und -Botschafter“ aufmerksam geworden. Zum gleichen Zeitpunkt hatte sich Karl Schupp bereits für die Ausbildung angemeldet, im Schlepptau hatte er Kurt Leiner. Frau Pfirrmann ging inzwischen auf die Suche nach geeigneten Räumlichkeiten. Da sie in der Nähe des Diakoniezentrums Bethesda in Landau wohnt, dachte sie sich: „Fragen kostet nichts!“ Die Idee kam bei der dortigen Leitung gut an. Die Räumlichkeiten waren gefunden, jetzt fehlten nur noch tatkräftige Personen, die Frau Pfirrmann in ihrem Vorhaben unterstützten. Diese Unterstützung fand sie in der PC-Sprechstunde von Karl Schupp im Seniorenbüro Landau. Seit über zehn Jahren hilft er dort älteren Menschen im Umgang mit digitalen Medien. „Wenn ich schätzen müsste, waren es bestimmt schon 1500 Termine oder mehr. Ich wollte etwas machen, das Spaß macht“, erzählt er.
Das Team hatte sich gefunden, nahm an der Digital-Botschafter-Ausbildung teil und legte schon zwei Monate danach los. Alles, was noch fehlte, waren WLAN und interessierte Seniorinnen und Senioren. Dank der Unterstützung des Diakoniezentrums war das Problem mit dem WLAN schnell gelöst. Die Interessierten plante das Team über eine Infoveranstaltung zu gewinnen. Beworben wurde diese kurzerhand über das Seniorenbüro von Karl Schupp. Was dann passierte, hatte niemand kommen sehen.
Der Start von „Senioren ins Internet“: ein Treff für alle Interessierten
Über 80 Seniorinnen und Senioren kamen zu der Veranstaltung. Birgit Pfirrmann erinnert sich:
„Mit so einem Ansturm hatten wir wirklich nicht gerechnet!“
Die Teilnehmenden kamen mit Hunderten von Fragen, mit ganz unterschiedlichen Kenntnissen und Geräten. Gemeinsam hatten sie aber alle eine Sache: Sie wollten etwas lernen.
Schnell wurde klar, dass sich die Digital-Botschafter*innen etwas einfallen lassen mussten, um auf die verschiedenen Bedarfe eingehen zu können. Sie stellten sich der Herausforderung und hatten die Idee, alle Teilnehmenden in vier verschiedene Gruppen und Räume aufzuteilen: Anfängerinnen und Anfänger, Fortgeschrittene, eine Gruppe mit Laptop und eine mit Apple-Geräten. So war für jede und jeden etwas dabei. Unterstützung erhielten die Digital-Botschafter*innen nach kurzer Zeit durch Frau Bresch, die ihre Hilfe anbot.
„Wer das Angebot der Digital-Botschafter*innen besucht? Den typischen Besucher gibt es nicht, das ist das Tolle. Vom Winzer bis zum Anwalt ist alles dabei, von 55 bis 90 Jahre“, erklärt Karl Schupp.
Vorkenntnisse braucht niemand und ein eigenes Gerät ist auch nicht unbedingt erforderlich, denn die Digital-Botschafter*innen haben Leih-Tablets, mit denen Interessierte testen können, ob das Ganze überhaupt etwas für sie ist, bevor sie sich ein eigenes Gerät kaufen. Die meisten kommen mit Smartphones oder Tablets, die sie von ihren Kindern oder Enkeln geschenkt bekommen haben. Doch das Problem ist, dass diese dann zu ungeduldig sind, wenn es darum geht, den Umgang mit den Geräten zu zeigen. „Dabei ist doch Geduld das A und O“, sind sich die Ehrenamtlichen alle einig. „Dazu kommt noch, dass die Geräte oft in einem seltsamen Zustand sind, viele der Teilnehmenden ihre Zugangsdaten nicht kennen, da sie die Geräte nicht selbst eingerichtet haben, und sie nicht gezeigt bekommen, wie man sie nutzt.“ Da kommen die Digital-Botschafter*innen ins Spiel. Sie nehmen sich die Zeit, um alles in Ruhe mit den Ratsuchenden gemeinsam zu entdecken, und scheuen sich auch nicht vor Wiederholungen.
Blöde Fragen und Themen gibt es nicht
Die Digital-Botschafterinnen und -Botschafter sind offen für alle Fragen und Themen. Das Spektrum bei den Treffen ist groß: Wie lässt sich das Gerät überhaupt bedienen? Wie komme ich zu WhatsApp? Wie kann ich jemanden zu meinen Kontakten hinzufügen? Was bedeuten eigentlich Begriffe wie „chatten“, „surfen“, „skypen“ und „App“? Wie stelle ich einen Wecker? Wie kann ich schauen, wann der nächste Zug oder Bus kommt? Wie kann ich über das Internet Geld überweisen? „Was habe ich überhaupt für Möglichkeiten mit dem Gerät?“ Diese Frage kommt vor allem bei den Anfängerinnen und Anfängern. Oft wissen die Einsteigerinnen und Einsteiger ja noch gar nicht, was alles möglich ist, und haben deswegen keine speziellen Fragen.
„Wir legen die Grundlagen, Schritt für Schritt. Kaputt machen kann man nichts, wir ermuntern dazu, Dinge einfach mal auszuprobieren. Wir gehen auch auf Fragen nach der Sicherheit ein und möchten so Berührungsängste abbauen“, erklären die Ehrenamtlichen.
„Ich glaube, das Wichtigste ist es, dass die Menschen wissen, sie werden nicht allein gelassen, und bei uns wird definitiv niemand allein gelassen“, ergänzt Birgit Pfirrmann. Es müsse nicht immer alles direkt funktionieren, wichtig seien kleine Erfolgserlebnisse, um das Wissen von Treffen zu Treffen langsam zu steigern. Es gehe darum, dass das Herzklopfen weniger werde beim Umgang mit den Geräten. „Wer nicht kommt, dem kann nicht geholfen werden. Das ist das Einzige, was wir leider nicht beeinflussen können“, sagt Herr Schupp lachend. Also: Nur Mut!
Voneinander lernen
„Oft helfen sich die Seniorinnen und Senioren im Treff untereinander und lernen so gegenseitig voneinander, das ist besonders erfreulich“, berichten die Ehrenamtlichen. Es gibt auch Austausch zwischen den verschiedenen Gruppen, und sie werden manchmal bewusst gemischt, sodass sich die Personen kennenlernen können. Der persönliche Austausch ist dabei von den Ehrenamtlichen stets erwünscht:
„Es ist ein Treff, die Leute sollen eine gute Zeit miteinander verbringen, sich austauschen und vor allem auch Spaß haben.“
Daher ist es kaum verwunderlich, dass die meisten Teilnehmenden stets wiederkommen. Dazustoßen kann man jederzeit, alles beruht auf Freiwilligkeit. Der Treff findet regelmäßig statt und ist stets kostenlos. Das Alter spielt keinerlei Rolle. „Die Menschen tanken mit jedem kleinen Wissensschritt Selbstbewusstsein und ziehen Kraft aus dem Treff“, betont Bernhard Pfirrmann. Er ist ebenfalls zu den bereits aktiven Digital-Botschafter*innen hinzugestoßen und komplettiert das Team in Landau. Er und Kurt Leiner haben sich im Sommer im Repair Café kennengelernt, und Bernd wurde gefragt, ob er nicht Lust hätte, beim Treff der Digital-Botschafter*innen mitzumachen. Doch diesen Sommer fand der Treff nicht unter normalen Bedingungen statt.
Die Corona-Pandemie macht erfinderisch
„Es geht nicht, dass wir nichts machen“, das sagten die Ehrenamtlichen, als klar wurde, dass der Treff durch die Pandemie nicht mehr im Bethesda Diakoniezentrum stattfinden konnte. Doch Not macht erfinderisch. Frau Pfirrmann bot an, ihren Carport zur Verfügung zu stellen. Das gute Wetter spielte mit, und die Leute nahmen gerne an dem Angebot teil. Unter Einhaltung der nötigen Hygienemaßnahmen konnten die Ehrenamtlichen ihre Unterstützung weiter anbieten. Diese Idee kam gut an, und immer mehr Seniorinnen und Senioren stießen dazu.
Da Frau Pfirrmann einen großen Garten hat, beschlossen die Ehrenamtlichen, in Einzelberatung über den Garten verteilt weiterzumachen. Doch als das Wetter wieder schlechter wurde und der erneute Lockdown in Aussicht war, mussten wieder neue Ideen her. So installierten die Digital-Botschafter*innen allen interessierten Seniorinnen und Senioren Jitsi, ein Programm für Videotelefonie. Die ersten Sitzungen verliefen noch holprig, aber nach und nach klappte es immer besser mit den virtuellen Sitzungen. Bald schon saßen einige Teilnehmende mit einem zusätzlichen Gerät beim digitalen Treffen. So konnten sie die Digital-Botschafter*innen auf dem einen Bildschirm sehen und mit dem anderen Gerät üben, was die Ehrenamtlichen ihnen zeigten. Einmal die Woche nahmen durchschnittlich neun bis zehn Personen teil.
Für die Personen, die noch nicht weit genug waren, um an den virtuellen Treffen teilzunehmen, boten die Digital-Botschafter*innen eine Sprechstunde per Telefon an. Die Ehrenamtlichen sehen die Situation rund um Corona aber auch als eine große Chance für ihr Angebot und rechnen mit großem Zulauf nach der Pandemie. Denn diese hat verdeutlicht, wie wichtig der Zugang zum Internet für Menschen jeden Alters ist, um in Kontakt bleiben zu können. Pläne für die Zukunft haben die Teammitglieder bereits mehr als genug. Sie möchten sich mit vielen weiteren Digital-Botschafter*innen in der Südpfalz vernetzen und beispielsweise auf dem Wochenmarkt mit Plakaten auf ihr Angebot aufmerksam machen, um den Menschen zu signalisieren: „Wir sind für Sie da.“