Ursula Reith ist als Digital-Botschafterin in der Umgebung von Sörgenloch und Nieder-Olm unterwegs. 2019 hat sie es geschafft, gleich zwei soziale Einrichtungen für das Projekt zu begeistern: das „Azurit“-Seniorenzentrum in Sörgenloch und das Projekt „Kommune Inklusiv“ in Nieder-Olm. Gemeinsam mit diesen sehr unterschiedlichen Einrichtungen hat sie als Ehrenamtliche schon viel bewegt.
„Alles, was ich brauche, um loszulegen, ist ein Raum und WLAN.“ Digital-Botschafterin Ursula Reith ist eine, die anpackt. Sie höre öfters: „Wie haben Sie das gemacht?“, und oft sei dann die Antwort: „Ich hab es einfach ausprobiert und gefragt!“ Die Jung-Rentnerin hat früher als ITlerin gearbeitet. Passt ja super, denken sich nun vielleicht manche Lesenden, aber die Anforderungen an eine Digital-Botschafterin sind völlig andere als die an eine Projekt- und Abteilungsleiterin. Mit mobilen Endgeräten wie Smartphones und Tablets hatte sie beruflich nur am Rande zu tun und pädagogisch gearbeitet hatte sie vorher auch nicht. Dieses ehrenamtliche „Neuland“ gebe ihr menschlich ungemein viel zurück, meint Frau Reith.
„Ich wurde da so herzlich aufgenommen und kann selbst so viel von deren Lebensfreude lernen.“
Wir sind im Seniorenzentrum „Azurit“ in Sörgenloch und werden fröhlich von Frau Ungerer und Frau Nötzel begrüßt. Man merkt gleich, wie vertraut das Verhältnis zu Frau Reith ist. Die beiden Damen sind weit über 80, der Dritte im Bunde, Herr Schlenz, hat bereits die 90 überschritten. Seit März kommt Frau Reith in der Regel zweimal pro Woche vorbei und, je nach Tagesform der Bewohnerinnen und Bewohner, widmen sie sich gemeinsam den Geräten. „Manchmal halten wir auch nur ein Schwätzchen“, lacht Ursula Reith. Ein großes Glück sei, dass vor Ort WLAN existiere und die Belegschaft die Ehrenamtliche mit offenen Armen empfange.
„Ich hab ja überhaupt keine Ahnung gehabt von dem Ding, aber ich möchte es so gerne! So wie die anderen.“
Die drei lernenden Silver Surfer des „Azurit“ haben natürlich ganz individuelle Interessen und Ansprüche an ihre Geräte: Frau Nötzel hört mittlerweile Roy Black auf ihrem Tablet: „Bei mir ging der Plattenspieler nicht mehr!“ Frau Reith hat in Zusammenarbeit mit dem Personal des Zentrums Schritt für Schritt eine praktische Lösung für die Dame gefunden: Ein längeres Ladekabel musste her, der Umgang mit dem kleinen An- und Ausschaltknopf wurde geübt und ein Touch-Stift hat die Bedienung des Geräts bedeutend erleichtert. Frau Ungerer hat einen Laptop, der sie noch einmal vor ganz andere Herausforderungen stellt. Mittlerweile erwägen die Damen, ob nicht auch für sie ein Tablet besser wäre. Frau Reith hat da nicht lange gefackelt und ein Leihgerät aus dem Projektbüro in Mainz ausgeliehen. Für vier bis sechs Wochen kann Frau Ungerer nun testen, ob es für sie sinnvoll wäre, ein eigenes Tablet anzuschaffen und ob Touch-Stift oder Sprachsteuerung passendere Bedienungsmöglichkeiten sind. Herr Schlenz bummelt mit seiner Tochter gerne durch die Welt und liest sich vorab Informationen über die Reiseziele auf der Online-Enzyklopädie Wikipedia durch.
Heute hat Frau Reith den beiden Damen ein paar Gedächtnisspiele mitgebracht, die gleich auf Begeisterung stoßen. Frau Ungerer tippt sich souverän durch das Spiel, als Frau Nötzel zu Frau Reith meint: „Das ist schon toll! Kannst du das auch auf mein Tablet machen?“ – natürlich kann sie – und zu Frau Ungerer: „Du kannst das schon. Dann komme ich zu dir, wenn ich nicht weiter weiß. Das kann man ja auch zu zweit spielen.“ Die beiden Damen haben sich über das Angebot von Frau Reith erst kennengelernt und sind nun befreundet. Ursula Reith ist begeistert, dass die drei sich der digitalen Herausforderung gestellt haben: „Ich weiß auch nicht, ob ich in dem Alter die Courage dazu hätte.“ – „Auf dem bisschen, was ich kann, werde ich aufbauen. Mit deiner Hilfe“, antwortet Frau Nötzel zuversichtlich.
„Bei mir ist es eine Spielerei. Ich möchte das Ding wirklich zum Spielen.“
Vom Seniorenzentrum geht es gleich weiter in die Stadtmitte von Nieder-Olm. Im Bildungstreff der „Kommune Inklusiv VG Nieder-Olm“ – einem Projekt der Aktion Mensch in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für selbstbestimmtes Leben (ZSL) Mainz – hat Ursula Reith nicht nur einen Ort, sondern mit Gracia Schade und Tamara Dell auch tatkräftige Unterstützerinnen für ihren Digitalen Treff gefunden, der nun alle zwei bis drei Wochen stattfindet. Vor Ort findet Frau Reith nicht nur Raum und WLAN, Frau Schade hat zusätzlich fünf Tablets angeschafft und mit Tamara Dell eine kundige Assistentin für Frau Reith vermittelt. Die beiden ergänzen sich sehr gut: Die eine kennt sich mit dem Betriebssystem iOS und die andere mit Android aus. So ist es egal, mit welchem Smartphone oder Tablet die Teilnehmenden kommen.
Hier in der Kommune Inklusiv treffen sich nun Alt und Jung zum Austausch über die digitale Welt. Frau Reith bereitet für jeden Termin ein bestimmtes Thema vor, auf das sich die zwölfköpfige Gruppe zuvor geeinigt hat – diesmal: Google Maps. Nach einem kurzen Vortragsteil wird dann fleißig an den eigenen Geräten ausprobiert und bei jeder und jedem Einzelnen genau hingeschaut und klargestellt: „Es gibt immer mehr als einen Weg.“ Für dieses Angebot ist die Gruppe sehr dankbar: „Es hat ja keiner Zeit“, meint eine neue Treffteilnehmerin, die von ihrer Familie ein Tablet geschenkt bekam. „Da hieß es dann nur: ‚Oma, du schaffst das schon. Schau her!‘“ Dem anschließenden schnellen Getippe der Enkel könne man aber schlecht folgen, wenn man Neuling sei.
Bei dem Digitalen Treff haben nun alle die Chance, gemeinsam in einer Gruppe daran zu arbeiten, den Umgang mit den neueren Technologien besser zu verstehen und zu erlernen. Am Ende sind Online-Ticket-Systeme, Smart-TV und WhatsApp keine Mysterien mehr, sondern praktische Hilfsmittel, die sich selbstbestimmt nutzen lassen. Die Folien der Veranstaltung bekommen alle Teilnehmenden zur Nachbereitung per E-Mail geschickt.