Videos zu jeder Zeit, egal an welchem Ort und fast zu jedem Thema. Aktuelle Informationen über das Tagesgeschehen, zeitnah und meist kostenlos. Interviews als sogenannte Podcasts zum Nachhören und Runterladen. Kaum ein Medium bietet solch eine Fülle an Unterhaltungsmöglichkeiten wie das Internet. Aber wie nutzen Menschen über 60 Jahre diese vielfältigen Möglichkeiten im Netz, und wie können Bildungsveranstaltungen dazu beitragen älteren Menschen Unterhaltungsmöglichkeiten im Internet aufzuzeigen?
Über 50 Prozent der Menschen über 60 Jahren sind online
Nach Angaben des (N)ONLINER-Atlas (vgl. 2014, S. 57) sind circa 77 Prozent aller Menschen in Deutschland online. Betrachtet man die Entwicklung der vergangenen Jahre, dann fällt auf, dass gerade in den Altersbereichen ab 60 Jahren ein starkes Wachstum zu verzeichnen ist. 64,5 Prozent der 60- bis 69-Jährigen und 29,4 Prozent der über 70-Jährigen in Deutschland sind heute im Internet aktiv; Tendenz weiter steigend (vgl. ebd.). Auch andere Studien wie die ARD/ZDF-Onlinestudie zeigen, dass eine deutliche Erweiterung der Onlineaktivitäten in höheren Lebensaltern zu verzeichnen ist. Waren im Jahr 2010 gerade einmal 28,2 Prozent aller Menschen über 60 Jahren online, so sind es heute mit 50,4 Prozent knapp über die Hälfte der gesamten Altersgruppe (vgl. ARD/ZDF-Onlinestudie 2015a).
Unterhaltungsangebote aus dem Internet sind in der Lebenswelt älterer Menschen (noch) nicht verortet
Der (N)ONLINER Atlas (vgl. 2014, S. 31ff.) zeigt eindeutig, dass mit zunehmendem Alter, die Nutzungsvielfalt von Internetangeboten abnimmt. Besonders deutlich wird dies im Bereich der Unterhaltungsmöglichkeiten, wie etwa dem Anschauen von Videos im Internet. Während 92 Prozent der 14- bis 29-Jährigen ein- oder mehrmals pro Woche Videos im Internet schauen, sind es in der Personengruppe der über 50-Jährigen lediglich 29 Prozent (vgl. ebd.). Zu ähnlichen Ergebnissen gelangt die ARD/ZDF-Onlinestudie. „Die Generation der ab 60-Jährigen hat einen sehr pragmatischen Umgang mit dem Internet“ (Frees/Koch 2015, S. 373). Dies zeigt sich besonders mit Blick auf die regelmäßig genutzten Dienste. Während jüngere Internetnutzerinnen und -nutzer deutlich häufiger Unterhaltungsmöglichkeiten wie Videoportale, Audiobeiträge, Mediatheken und Onlinespiele konsumieren, zeigen hier Personen ab 60 Jahren wesentlich geringere Werte (vgl. hierzu ARD/ZDF-Onlinestudie 2015b; Abbildung I). „Während die unter 30-Jährigen das Internet sehr vielseitig und in nahezu allen Lebenslagen nutzen, zeichnet die ältere Generation somit ein sehr funktionaler und sachbezogener Umgang mit dem Netz aus. Für sie muss sich der direkte Mehrwert im Alltag erschließen“ (Frees/Koch 2015, S. 373).
Warum ältere Menschen das Internet funktional nutzen
Gründe für eine geringere Nutzung von Unterhaltungsangeboten im Internet durch ältere Menschen haben verschiedene Aspekte. Ein Hauptgrund ist die enge Bindung älterer Menschen an klassische Massenmedien wie den Fernseher, das Radio oder die Zeitung. Währendem jüngere Personengruppen, etwa Menschen in einem Alter zwischen 14 und 29 Jahren, mit 41 Prozent der Aussage „Das Internet ist heute für mich wichtiger als Fernsehen, Radio, Zeitungen und Zeitschriften.“ voll und ganz zustimmen, sind dies bei den über 60-Jährigen gerade einmal sechs Prozent (vgl. Frees/Koch 2015, S. 371). Dieser Unterschied verdeutlicht die Bedeutung von (Unterhaltungs-)Medien in den Lebenswelten verschiedener Altersgruppen. Gründe für diese Unterschiede sind in den jeweiligen medienbiografischen Prägungen zu suchen. Die mit diesen Prägungen verbundenen Erwartungshorizonte, also beispielweise die Frage, ob ein Medium das Bedürfnis nach Unterhaltung stillen kann, sind maßgeblich für die Zuwendung zu diesem. Dabei kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass Medien und mediale Angebote in direkter Konkurrenz zueinander stehen und anhand persönlicher und sozialer Bedürfnisse und Erwartungen ausgewählt werden (vgl. hierzu auch Preßmar 2013, S. 78ff.). Wer in seiner Biografie nicht gelernt hat, dass das Internet auch ein Unterhaltungsmedium sein kann, wird es auch zunächst nicht so wahrnehmen.
Unterhaltungsmöglichkeiten des Internets kennenlernen
Ein weiterer Aspekt der eher geringen Nutzungsquote medialer Unterhaltungsmöglichkeiten im Internet durch Menschen über 60-Jahren ist in den für diese Personengruppe fremden Nutzungsformen zu suchen. So zeigen Untersuchungen in Bildungsveranstaltungen wie der Silver-Surfer-Seminarreihe (vgl. hierzu Preßmar 2015), dass Nutzungskonventionen etwa von Videoportalen wie Youtube oder Vimeo bei älteren Onlinerinnen und Onlinern kaum bekannt waren. Zwar kannte ein Großteil der Seminarbesucher Videoplattformen im Generellen, jedoch waren ihre Spezifika, zum Beispiel als offene non-lineare Plattformen für private Videos und ohne redaktionelle Struktur, nur wenigen Teilnehmerinnen und Teilnehmern bekannt. Hieraus folgte, dass diese oft nicht wussten, wie sie die Plattformen nutzen sollten, ihnen also schlichtweg der Zugang zu dieser Unterhaltungsform fehlte. Besonders bedeutsam war hierbei die Umkehr des Prinzips des passiven Rezipienten, der ein strukturiertes und linear angeordnetes Programm dargeboten bekommt, hin zu einem aktiven Rezipienten, der auswählen muss, welche Inhalte er sucht und zum (inter-)aktiven Handeln „gezwungen“ ist. Hiermit verbunden sind häufig auch, das Verlassen der gewohnten Haltung des Zurücklehnens und damit ein Verlust von Gemütlichkeit.
Nicht zuletzt stehen internetbasierte Unterhaltungsmöglichkeiten mit ritualisierten Formen der Mediennutzung in Konkurrenz. Die Zeitung am Frühstückstisch, das Radio bei der Hausarbeit oder die Tagesschau am Abend: Mediale Rituale sind tief in der Lebenswelt älterer Menschen verwurzelt und tragen damit auch zur Tagesstrukturierung bei.
Folgen für die Lehrpraxis
Damit ältere Onlinerinnen und Onliner das Internet als ein Unterhaltungsmedium kennenlernen können, sollten Bildungsveranstaltungen Möglichkeiten eröffnen, spielerisch mit verschiedenen Unterhaltungsdiensten umzugehen. Im Mittelpunkt kann hierbei auch stehen, fremde Nutzungsformen auszuprobieren. Anhand der Videoplattform Youtube können zum Beispiel bisher unbekannte Nutzungskonventionen verdeutlicht werden. Das Suchen nach Videos zum eigenen Hobby, die Recherche nach Bewegtbildern aus der eigenen Stadt oder das Anschauen lustiger Videoformate hilft dabei zu verstehen, wie die Nutzung von Videoplattformen funktioniert. Gleiches gilt für Mediatheken von Fernsehsendern. Wer verstanden hat, wie er die verpasste Sendung von gestern in der Mediathek suchen kann, der wird je nach Bedarf auch hierauf zurückgreifen können. Dabei zeigt sich, dass im Mittelpunkt der Vermittlung dieses (Online-)Wissens in Lehrveranstaltung neben reinen Informationen immer die Verbindung zur Bedeutung und Relevanz dieser für die Lebenswelt stehen sollte. Denn erst der unmittelbare Nutzen dieses Wissens macht die lebensweltliche Verortung wahrscheinlich. Konkret: Wer eine für ihn relevante Sendung verpasst hat und weiß, wie und wo er diese jederzeit im Internet anschauen kann, der wird dies auch mit großer Wahrscheinlichkeit zukünftig tun. Hierbei besonders bedeutsam ist auch die Reduktion von möglichen Berührungsängsten mit der Computertechnik. In Lehrveranstaltungen sollte deshalb auch Platz für einen spielerischen und ungezwungenen Umgang mit Internetinhalten sein. Zugleich sollten Teilnehmende die Möglichkeit haben, sich gegenseitig über gemachte Erfahrungen auszutauschen. Dies hilft dabei, Gelerntes einzuordnen, einen sozialen Vergleich ziehen zu können und Wissen als nützlich abzuspeichern.
Fazit
Ältere Onlinerinnen und Onliner weisen einen eher nutzenorientierten Umgang mit dem Internet auf. Im Mittelpunkt stehen hierbei Informations- und Kommunikationsdienste wie E-Mails Suchmaschinen oder Onlinenachschlagewerke wie Wikipedia. Die Nutzung von Unterhaltungsangebote wie Videoplattformen und Mediatheken werden im Vergleich hierzu noch deutlich seltener genutzt. Dieser Nutzungsunterschied ist jedoch nicht mit generellem Desinteresse dieser Personengruppen zu begründen. Vielmehr stehen mediale lebensweltliche Routinen in Verbindung mit klassischen Massenmedien wie dem Fernsehen in Konkurrenz zu onlinebasierten Diensten. Zugleich zeigt sich, dass Nutzungskonventionen von Onlinediensten nicht selbst erschließend sind und Bildungsveranstaltungen eine wichtige Rolle zur Partizipation älterer Onlinerinnen und Onlinern auch an internetbasierten Unterhaltungsmöglichkeiten spielen. Sie sollten hierbei auch den unmittelbaren Nutzen und damit die Bedeutung des Mehrwerts eines Interangebots verdeutlichen. Denn erst hierdurch können Erwartungen aufgebaut werden, die Unterhaltungsangebote im Internet zur Auswahl medialer Gratifikationsquellen hinzufügen und damit eine Auswahl dieses Mediums zur Befriedigung eines bestimmten medialen Bedürfnisses wahrscheinlich machen.
Quellen
ARD/ZDF-Onlinestudie (2015a): Soziodemografie der Onlinenutzer. URL: http://www.ard.de/home/intern/fakten/ard-mediendaten/Soziodemografie_der_Onlinenutzer/409236/index.html [Stand 04.06.2016]
ARD/ZDF-Onlinestudie (2015b): Onlinenutzung. URL: http://www.ard-zdf-onlinestudie.de/index.php?id=531 [Stand 18.05.2016]
Frees, Beate/Koch, Wolfgang (2015): Internetnutzung: Frequenz und Vielfalt nehmen in allen Altersgruppen zu. Ergebnisse der ARD/ZDF-Onlinestudie 2015. In: Media Perspektiven, Heft 9, S. 366-377.
(N)ONLINER Atlas 2014: D21-Digital-Index 2014. Die Entwicklung der digitalen Gesellschaft in Deutschland. URL: http://www.initiatived21.de/wp-content/uploads/2014/11/141107_digitalindex_WEB_FINAL.pdf [Stand 18.05.2016]
Preßmar, Florian (2013): Motive der Onlinenutzung älterer Menschen. In: Alter & Medien. Zeitschrift für Forschung und Praxis, Heft 2. München. S. 78–83.
Preßmar, Florian (2015): Bildungsangebote zur Steigerung der Computer- und Internetkompetenz von Seniorinnen und Senioren. Konzeption – Realisation – Evaluation. [Dissertationsschrift – in der Veröffentlichung]