Die Online-Enzyklopädie Wikipedia gehört – sowohl in Deutschland als auch weltweit – zu den beliebtesten Seiten im Internet überhaupt. Innerhalb weniger Jahre ist es dem internetbasierten Datenbankangebot gelungen, etablierte gedruckte Lexika wie die bekannte Brockhaus Enzyklopädie vom Markt zu verdrängen. Wie aber ist es um die Qualität der enthaltenen Artikel bestellt? Schließlich werden diese von (teilweise anonymen) Freiwilligen und nicht von einer professionellen Redaktion unentgeltlich verfasst und fortlaufend gemeinschaftlich korrigiert, erweitert und aktualisiert (kollaboratives Schreiben).
Von Print zu Multimedia
Als Wikipedia nach ersten, weniger erfolgreichen Vorläufern im Jahr 2001 online ging, war noch nicht absehbar, dass sie rasch eine ernstzunehmende Konkurrenz zu den großen und traditionsreichen Lexika nicht nur in Deutschland darstellen würde. Allerdings hatten sich bereits anderweitig Veränderungen im Lexikonmarkt durch digitale Produkte ergeben: Bereits 1993 hatte das Softwareunternehmen Microsoft mit dem Produkt Encarta ein multimediales Lexikon (zunächst auf CD-ROM, später auf DVD und schließlich online) auf den Markt gebracht und damit beachtliche Erfolge erzielt. Die aufwändige Aufbereitung der Einträge mit (Bewegt-)Bild und Ton faszinierte die Nutzerinnen und Nutzer. Mit rund 50.000 Artikeln war der Umfang jedoch recht begrenzt (zum Vergleich: die 21. Und letzte Auflage des Großen Brockhaus umfasste 300.000 Stichworte), so dass die Existenz der großen gedruckten Nachschlagewerke kaum infrage gestellt wurde. Dies änderte sich jedoch mit dem Start der Wikipedia. Nicht nur die Zahl der Artikel, die heute bei etwa 1,8 Millionen Artikel (Stand Juni 2015) in der deutschen Sprachversion liegt, entwickelte sich rasch, sondern auch die Zahl der Nutzerinnen und Nutzer nahm rasant zu. Bereits 2009 stellte Microsoft die Encarta ein, weil diese der Konkurrenz durch die kostenlos nutzbare (durch Spenden finanzierte) Wikipedia gewachsen war. Der Große Brockhaus erschien in den Jahren 2005 und 2006 zum letzten Mal und auch das Online-Angebot der Brockhaus-Redaktion wurde 2014 schließlich eingestellt.
Qualität für lau?
Der Name Wikipedia ist eine Zusammensetzung aus „wiki“ und „encyclopedia“, dem englischen Wort für Enzyklopädie. Unter einem Wiki (hawaiianisches Wort für „schnell“) versteht man ein Hypertext-System, bei dem Benutzerinnen und Benutzer nicht nur lesen, sondern auch direkt Änderungen vornehmen können. In Wikipedia werden diese Änderungen in der Historie eines Artikels dokumentiert, was aus Gründen der Qualitätssicherung wichtig ist. Mit dem enormen Erfolg des Online-Lexikons auf der einen Seite wuchs auf der anderen Seite auch die Skepsis gegenüber den kostenlos im Internet bereitgestellten Informationen, was dazu führte, dass verschiedene Studien durchgeführt wurden, welche die Qualität der enthaltenen Artikel beurteilen sollten. Eine der bekannteren Studien wurde von der renommierten Zeitschrift Nature im Jahr 2005 in Auftrag gegeben. Im Großen und Ganzen wurde den untersuchten Wikipedia-Artikeln eine Vergleichbarkeit mit Artikeln der Encyclopedia Britannica in Bezug auf die Korrektheit attestiert, nicht berücksichtigt wurden allerdings Aspekte wie Lesbarkeit, Verständlichkeit und Konsistenz in der Gliederung der Artikel sowie die thematische Abdeckung. Der Fokus der Studie lag klar auf naturwissenschaftlichen Beiträgen, weil für deren Bewertung die entsprechenden Kompetenzen in der Redaktion von Nature vorhanden waren. Auch das deutsche Magazin stern gab 2005 eine Vergleichsstudie in Auftrag, bei der Wikipedia-Artikel mit Einträgen aus dem Großen Brockhaus verglichen wurden. Wiederum wurde der Online-Enzyklopädie ein hohes Maß an Qualität zugeschrieben. Weitere ähnlich gelagerte Studien, die meistens zu dem Ergebnis kommen, dass Wikipedia gedruckten Lexika in der Qualität nicht nachstehen, wurden durchgeführt. Einige Studien kamen auch zu dem Ergebnis, dass die kostenlose Online-Enzyklopädie in punkto Bandbreite an Informationen und Aktualität unerreicht wäre. Nichtsdestotrotz finden sich dort immer wieder auch Fälschungen, sogenannte Hoaxes (diese werden mittlerweile sogar in einer „List of Hoaxes“ gesammelt). Und auch wenn Wikipedia mittlerweile durchaus zitierfähig ist, verfügt sie dennoch nicht über das gleiche Maß an Reputation und Autorität, wie traditionsreiche Printpublikationen – auch wenn bei diesen die Entstehung von Einträgen teilweise schlechter nachvollziehbar ist.
Linktipp der Silver-Tipps-Redaktion:
Um die Bandbreite von Wikipedia darzustellen hat der US-Künstler Michael Mandiberg die gesamte englischsprachige Wikipedia heruntergeladen und ausgedruckt. In dem Video „US-Künstler druckt Wikipedia“ der Zeit Online ist die Installation zu sehen. Zum Vergleich: Wikipedia benennt den Umfang der Encyclopædia Britannica vor ihrer Digitalisierung auf 32 Bände.