Die Macht der Bilder und ihrer Manipulation

Trau, schau wem!

Wer etwas „mit eigenen Augen gesehen“ hat, kann damit Behauptungen belegen. Dabei zeigen doch schon Vexierbilder, dass unsere Sinne uns durchaus täuschen können. Erst recht in Zeiten digitaler Bildbearbeitung stellt sich daher die Frage nach dem Wahrheitsgehalt von Bildern: Können wir dem noch trauen, was wir sehen?

Die Erkenntnis ist nicht wirklich neu: Mit Bildern lassen sich Ereignisse und Situationen veranschaulichen; sie bringen eine emotionale Komponente zur ansonsten nüchternen Information. Mit Bildern lassen sich Geschichten erzählen und lassen sich Momente der Geschichte festhalten. Und mit Bildern lässt sich auch die Geschichte nachträglich beeinflussen, indem Personen aus Bildern entfernt oder durch Retusche hinzugefügt werden. Für dieses analoge Vorgehen gibt es eine Reihe prominenter Beispiele. So wurden immer schon Bilder „aufgehübscht“ oder politisch in Ungnade gefallene Personen aus der Erinnerung der Menschen verbannt (auf den folgenden Bildern sieht man, wie Trotzky aus einem Bild mit Lenin heraus retuschiert wurde).

Lenin und Trotzky. Im Original sind beide auf dem Bild zu sehen (links). Im manipulierten Bild wurde Trotzky aus dem Bild heraus retuschiert (rechts).

Im Laufe der letzten Jahrzehnte haben Bilder eine immer größere Bedeutung erlangt und dank digitaler Technik, die zudem mit Smartphones auch mobil ist, stehen sie immer leichter „jederzeit und überall“ zur Verfügung. Es ist sogar eine Art neue Augenzeugenschaft geworden: Nur wenn ich einen Schnappschuss oder ein Selfie mache, kann ich belegen, wirklich dabei gewesen zu

Digitale Manipulation: mehr – schneller – perfekter

„Photoshopunfälle“ zeigen sehr anschaulich, was passiert, wenn selbst Profis übereifrig werden und sich unfreiwillig selbst verraten – z.B. durch scheinbar abgetrennte Gliedmaßen, physikalisch unmögliche Körperstellungen oder Personen im Bild, die trotz strahlender Sonne keinen Schatten werfen. Aber in der Mehrzahl sind die Überarbeitungen gut gemacht und sie führen dazu, dass Schönheiten auf den Titelseiten von Illustrierten im Gegensatz zu normalen Menschen keinerlei Hautunreinheiten, dafür aber stets strahlend weiße Zähne und eine makellose Figur haben.
Möglich machen dies die Bearbeitungsfunktionen von Programmen wie Adobe Photoshop, Gimp, PaintPro und anderen, die eine Manipulation jedes Bildpunktes (Pixel) ermöglichen. Aber im Gegensatz zu der analogen Retusche mit Pinsel, Stift, Schere und Kleber geht dies dank geeigneter Werkzeuge und Filter viel schneller und besser als je zuvor: Durch geschicktes Ausschneiden, Verschieben und Löschen von Bildteilen bekommt z.B. das Model eine schmalere Taille und einen längeren Hals – und die Haare werden gleich auch noch etwas üppiger und voller. Mit einem sogenannten Kopierstempel können vorhandene Bildteile an eine andere Stelle übertragen werden und damit z.B. ein störender Pickel beseitigt werden, indem er durch ein wenig Hautfarbe aus der Bildumgebung überdeckt wird. Intelligente Löschfunktionen hinterlassen im Gegensatz zur Schere nicht einfach ein Loch im Bild, sondern berechnen aus den nahegelegenen Pixeln, was anstelle des ausgeschnittenen Teils im Bild sein könnte. Wenn bei der digitalen Retusche keine groben Schnitzer unterlaufen, können nur Experten (siehe z.B. http://www.hackerfactor.com/blog/index.php?/archives/322-Body-By-Victoria.html) gut überarbeitete Bilder noch als solche entlarven.

Von der Gestaltung über die Bearbeitung zur Manipulation

Die Grenzen sind dabei fließend: Wer immer ein Foto macht, wählt dadurch ja schon einen Ausschnitt aus der Realität, die ihn oder sie umgibt. Erst recht, wenn man dabei den Zoom-Regler der Kamera bedient bzw. am Objektiv die Brennweite verstellt, stellt man ein bestimmtes Detail in den Mittelpunkt. So wird aus einem Haus mit Vorgarten an einer vielbefahrenen Straße z.B. dank Teleobjektiv ein Haus im Grünen (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Fotomanipulation). Von da aus ist es dann nur ein kleiner Schritt zur Entfernung eines störenden Details, um nachträglich ein noch besseres Bild zu bekommen. Und wenn der Himmel eher bedeckt war und das Foto insgesamt etwas flau geraten ist, kann man nachträglich mit der sogenannten Tonwertkorrektur sowie Helligkeit und Kontrast ein Bild zaubern, das ins Auge springt. Viele Kamera-Apps von Smartphones bieten dafür sogar schon eingebaute Filter. Und wer wollte nicht lieber solche Bilder als langweilige Schnappschüsse im Fotoalbum oder auf der Website haben? Kann man also tatsächlich den eigenen Augen trauen?

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Bildnachweise

Lenin-Trotzky 1920-05-20_Sverdlov_Square(original) von Grigori Petrowitsch Goldstein

Lenin-Trotzky 1920-05-20_Sverdlov_Square(censored) von Grigori Petrowitsch Goldstein

Dieser Artikel gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wieder. Datum: 1. August 2015