An Telegram scheiden sich die Geister. Die einen sehen die App als praktischen Messenger und buntes Fenster in die digitale Welt. Die anderen als suspekten Ort voller Hass und Hetze.
Telegram ist vieles in einem: ein Messenger wie WhatsApp, ein Medium der Massenkommunikation wie X (ehemals Twitter) und außerdem ein schwer kontrollierbarer Ort wie das berühmt-berüchtigte Darknet.
Unverschlüsselter Messenger
Mit Telegram können Text- und Sprachnachrichten und Bilder versendet, Audio- und Videotelefonate geführt und kleine Gruppen gebildet werden. Bei der Anmeldung müssen Sie eine Telefonnummer angeben. Einmal auf dem Handy eingerichtet, lässt sich Telegram parallel auch auf dem PC nutzen.
Nachteil gegenüber anderen Kommunikationsdiensten
Messenger wie WhatsApp, Signal oder Threema verwandeln Nachrichten auf dem eigenen Gerät in unverständlichen Zeichensalat, sodass sie erst auf dem Zielgerät wieder lesbar sind. Telegram hingegen hat eine solche Verschlüsselung nicht standardmäßig eingebaut. Das bedeutet: Das Unternehmen hinter dem Messenger könnte Ihre Nachrichten mitlesen, automatisiert auswerten und/oder an Behörden übergeben.
Nur bei der Zweierkommunikation lässt sich für einzelne Chats umständlich eine manuelle Verschlüsselung einrichten.
Sie starten einen Chat mit einem Telegram-Kontakt → klicken auf das Profil der Person → auf das Menü (drei Punkte oben rechts) → Geheimen Chat starten → Starten.
Bei Gruppenchats ist eine Verschlüsselung gar nicht möglich. Bei vielen Datenschützer*innen hat Telegram als Messenger deshalb einen schlechten Ruf.
Kanäle, große Gruppen und Bots
Telegram ist außerdem ein Medium der Massenkommunikation. Telegram-Gruppen erlauben bis zu
200 000 Teilnehmer*innen. Kanälen von Prominenten oder anderen Einzelpersonen können beliebig viele Menschen folgen.
Ein Telegram-spezifisches Phänomen sind Bots: kleine Programme, die automatisch antworten. Es gibt beispielsweise einen Witzbot, der auf Knopfdruck einen Witz erzählt, oder Künstliche-Intelligenz-Bots, über die sie auf die Dienste großer KI-Plattformen wie ChatGPT zugreifen können.
Politische Nutzung
Vor allem in autokratisch regierten Ländern spielt Telegram eine politisch wichtige Rolle – als Fenster zum offenen Internet. Unter den 100 weltweit größten Gruppen sind zum Beispiel viele russische und chinesische Communitys. In denen tauschen sich Menschen über Möglichkeiten der Zensurumgehung aus und Journalist*innen verbreiten ihre ansonsten zensierte Berichterstattung.
Auch hierzulande wird die App von sozialen Bewegungen genutzt, die sich für Menschenrechte oder Klimagerechtigkeit einsetzen.
Fake News und Hetze
In Verruf geraten ist Telegram, weil die App in westlichen Staaten auch für illegale und ethisch grenzwertige Zwecke genutzt wird. Vor allem im deutschsprachigen Raum ist Telegram voll von Verschwörungstheorien, Fake News und Hetze. In offenen Gruppen geht es auf den ersten Blick oft zivilisiert zu. In geschlossenen Gruppen wird mitunter offen zu Gewalt aufgerufen.
Und es finden sich diverse klar illegale Nutzungen, beispielsweise Verkaufskanäle von lokalen Drogendealern.
Etwas bewegt sich
Hinter der App stehen die beiden Brüder Pawel und Nikolai Durow. Sie betreiben Telegram offiziell über eine Firma in Dubai. Das Mutterunternehmen Telegram Group Inc. sitzt auf den britischen Jungferninseln.
Telegram hatte sich lange damit gebrüstet, nicht mit Behörden zusammenzuarbeiten. Erst auf massiven Druck der Bundesregierung begann Telegram im Jahr 2022, besonders problematische Gruppen, Kanäle und Profile zu löschen.
Mittlerweile hat sich jedoch einiges geändert. Im Sommer 2024 hat die französische Polizei einen der beiden Telegram-Gründer bei einem Aufenthalt in Paris kurzzeitig festgenommen. Derzeit darf er das Land nicht verlassen, weil gegen ihn ermittelt wird. Kurz darauf hat Telegram die Datenregeln überarbeitet und schreibt jetzt offen, dass sie bei „gültigen Anordnungen“ unter Umständen dann doch Telefonnummern und sonstige Informationen herausgeben.
Links:
Telegram.org (unten auf der Seite finden Sie Links zu den Apps und den PC-Versionen)
Kurzporträts verschiedener Messenger
Video-Überblick zu unterschiedlichen Messengern
Link zum datensparsameren Messenger Signal